12 August, 2009

Die Dualität birgt immer ein Dilemma

Auszüge aus einer Frage-und-Antwort-Stunde, die am 30. Juli 2009 mit Sri Sri Ravi Shankar in Bangalore, Indien, stattfand


F: Ich komme mir vollkommen isoliert vor und fühle mich sogar einsam, wenn ich mit Freunden zusammen bin. Ich habe nicht das Gefühl, dass ich überhaupt irgendwo dazugehöre.

Sri Sri: Mach dir bloß keine Gedanken über deine Gefühle. Sie ändern sich ständig. Wen kümmert es? Wozu sich damit plagen? Einen Moment lang fühlst du dich sehr gut, im anderen schon schlecht. Investiere deine Lebensenergie in etwas Nützliches, in Sozialarbeit. Zeige Engagement, widme dich einer bestimmten Sache. Gib‘ der Welt ein paar Erfolge. Es kann schon sein, dass du dich manchmal plötzlich sehr gut fühlst und dann wieder sehr schlecht. Die Welt interessiert sich nicht für deine Gefühle und Gott auch nicht. Die Natur, die Welt, wird dich fragen, was du getan hast.

F: Was ist der Unterschied zwischen Wissen und Liebe? Sollte ich ein Gyani (Weiser) oder ein Premi (Liebender) sein?

Sri Sri: Was ist der Unterschied zwischen dem Kopf und dem Herzen? Sollte ein Mensch mit dem Kopf oder mit dem Herzen leben? Verfolgst du das Fernsehprogramm auch mit den Augen oder hörst du erst mal nur zu? Verstand und Herz, beide zusammen, machen den Menschen aus. Der Verstand sucht nach Neuem, nach etwas Frischem, dem Aktuellsten. Das Herz möchte etwas Altes - Preet Puraani (Liebe von früher). Das Leben ist eine Kombination aus beidem. Wissenschaft und Wissen, Liebe und Hingabe – sie alle sind wichtig. Und du besitzt sie alle. Du stellst diese Frage als ein Jigyasu (jemand, der neugierig auf Wissen ist). Und du hast auch die Liebe, deshalb akzeptierst du diese Antwort. Wenn du das Wissen nicht lieben würdest, würdest du gar nicht erst fragen oder du würdest die Antwort nicht akzeptieren. Das ist wie mit den vier Beinen eines Stuhles – wenn man an einem zieht, dann kommen die anderen drei auch mit. So ähnlich ist es auch mit Yog Karma, Gyan, Bhakti, Dhyan – sie sind wie Beine eines Tisches.

Als Arjuna verwirrt war, wandte er sich an Krishna: „Manchmal preist du den Weg des Karmas, manchmal des Gyans, manchmal des Bhakti – nenn mir den einen, denn ich bin verwirrt.” Krishna sagt, dass diejenigen, die nicht weise sind, meinen, dass diese Pfade verschieden von einander sind. Aber die Weisen wissen, dass sie alle eins sind. Wenn man sich für einen entscheidet, wird man die anderen auch gehen. Wenn man richtig Seva macht (selbstlose Hilfe für andere), dann hat man den gleichen Verdienst wie mit Dhyan (Meditation) oder Gyan (Wissen).

F: Im Leben gerät man immer mal in ein Dilemma, aber mir fehlt die Entscheidungskraft. Was kann ich dagegen tun?

Sri Sri: Die Dualität (Dvaita) birgt immer ein Dilemma. Im Alltag (Vyavahara) wirst du immer wieder auf ein Dilemma stoßen. Du hast gar keine Wahl, nimm es einfach so an.

F: Warum gibt es auf jeder Stufe des spirituellen Weges soviele Hürden?

Sri Sri: Nein, nein, das sind keine Hürden. Sie machen dir deinen Weg nur interessanter. Das ist wie mit fließendem Wasser – kleine Steinchen ergeben ein schönes Plätschern und sind schön anzusehen, sie machen alles einfach schöner. Es gibt auf diesem Pfad keine Hindernisse, auf diesem Pfad gibt es nur Freude. Geh einfach weiter, lass dich nicht aufhalten.